Schon heute fließen rund 42 Prozent des Bruttoeinkommens in die Sozialkassen. Die Abgabenlast dürfte in den kommenden Jahren noch deutlich steigen, warnt der Wirtschaftsweise Werding – und mahnt Reformen an.
Der Wirtschaftsweise Martin Werding rechnet damit, dass die Sozialabgaben in Deutschland zusammengerechnet auf 50 Prozent des Bruttoeinkommens steigen werden. „Die aktuelle Entwicklung ist atemberaubend. Die Frage ist nicht, ob die Beitragssätze irgendwann 50 Prozent erreichen, sondern wann das geschieht“, sagte Werding der Rheinischen Post.
Wegen der Alterung der Bevölkerung halte dieser Aufwärtstrend ohne Reformen in den 2030er-Jahren unverändert an, prognostiziert Werding. Bereits für das Jahr 2026 erwarte der Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen die nächste Beitragserhöhung bei den Krankenkassen, „2027 oder spätestens 2028“ dann auch bei den Rentenkassen.
Rentenbeiträge dürften sprunghaft steigen
Aktuell betragen die Sozialabgaben, die in der Regel je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen werden, zusammengerechnet rund 42 Prozent des Bruttoeinkommens. Werding erwartet, dass sie im Laufe des Jahres auf 43 Prozent steigen. Er verwies darauf, dass eine ganze Reihe von Krankenkassen im Durchschnitt die 17-Prozent-Marke geknackt und dazu die Zusatzbeiträge in diesem Jahr bereits wieder angehoben hätten. „Aktuell dürfte der Durchschnitt bei 17,5 Prozent liegen.“
Auch in der Pflegeversicherung sei zum Jahreswechsel mit einer neuerlichen Anhebung zu rechnen. Später sei auch die Rentenkasse betroffen: Spätestens 2028 würden die Beiträge, die lange Zeit bei 18,6 Prozent konstant geblieben sind, sprunghaft auf annähernd 20 Prozent steigen. Damit sei bis zum Ende dieser Legislaturperiode eine Abgabenbelastung von 45 Prozent in Sicht.
Diskussionen über Reformen nötig
Werding forderte umfassende Reformen: Aktuell diskutierte Maßnahmen wie Anhebungen von Beitragsbemessungsgrenzen sowie Einbeziehung von Beamten in die Sozialversicherungen reichten nicht aus. „Teilweise reißt es einfach Löcher an anderer Stelle auf – etwa in den Haushalten der Länder, die die Mehrzahl der Beamten beschäftigen“, so Werding.
Nötig seien deshalb Diskussionen über Ausgabenentwicklung, Zielgenauigkeit bestehender Leistungen sowie aktuelle Pläne. Dazu gehöre beispielsweise die Mütterrente. Auch müsse über die Effizienz von Gesundheitsversorgung und Pflege debattiert werden.
Werding ist seit September 2022 Mitglied des Sachverständigenrats Wirtschaft – den so genannten Wirtschaftsweisen. Seit 2008 ist er Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum. Vor der Bundestagswahl 2021 stellte Werding eine Studie zum Konzept der sogenannten Aktienrente der FDP vor.