Remco Evenepoel ist beim ersten Einzelzeitfahren der Tour de France rund um Caen mit einem Höllentempo zum Sieg gerast. Tadej Pogacar kam als Zweiter ins Ziel und übernimmt das Gelbe Trikot. Jonas Vingegaard verlor viel Zeit und ist der große Verlierer.
Evenepoel ging im Trikot des Zeitfahr-Weltmeisters als Neuntletzter und als Top-Favorit auf den Tagessieg auf die Strecke. Bei der ersten Zwischenzeit nach acht Kilometern legte Luke Plapp, der allerdings am Ende eingebrochen war, die Tagesbestzeit hin. Dahinter folgten Evenepoel (+ 2,6 Sekunden) und Pogacar (+3,3 Sekunden). Überraschend groß war hier schon der Rückstand von Vingegaard (+22 Sekunden). Mathieu van der Poel lag da bereits 29 Sekunden zurück, damit war schon früh klar, dass der Niederländer das Gelbe Trikot nicht verteidigen kann – das war allerdings auch keine Überraschung.
Lipowitz starker Sechster
Erst bei der dritten und letzten Zwischenzeit fünf Kilometer vor dem Ziel lag Evenepoel erstmals vorne, der 25-Jährige hatte sich die Kraft offenbar bestens eingeteilt. Im Ziel hatte Evenepoel dann 16 Sekunden Vorsprung vor Pogacar. Vingegaard (Platz 13) verlor 1:21 Minuten, van der Poel 1:44 Minuten (Platz 18). Einen starken 6. Platz belegte der deutsche Shootingstar Florian Lipowitz.
In der Gesamtwertung führt nun Pogacar mit 44 Sekunden vor Evenepoel. Vingegaard rutscht auf Platz vier ab. Lipowitz ist nun Neunter. Kurios: Pogacar liegt nun auch in der Sprintwertung vorne. Damit „trägt“ der Slowene neben dem Maillot jaune und dem gepunkteten Bergtrikot nun auch das Grüne Trikot.
Große Kettenblätter, hohes Durchschnittstempo
Auf dem 33 Kilometer langen Kurs in der Normandie waren nur 200 Höhenmeter zu überwinden, dazu ging es für die Profis über breite Straßen. Entsprechend hoch war das Durchschnittstempo. Evenepoel absolvierte den Kurs mit einem Schnitt von 54,0 km/h. Für den Highspeed-Kurs ließen die Profis von ihren Mechanikern sehr große Übersetzungen montieren. Für die Technik-Nerds: Evenepoel startete mit einem 64er Kettenblatt (Kassette 11-30), Pogacar fuhr ein 62er Blatt (Kassette 11-34), Vingegaard mit einem 64er Blatt (Kassette 10-28).
Pogacar beim Zeitfahren um Caen
Bauhaus, Politt und Schachmann sparen Kräfte
Viele Profis ließen das Zeitfahren im Gegensatz zu den Klassementfahrern locker angehen und sparten Körner für kommende Etappen. Für Helfer oder Sprinter ging es meist nur darum, innerhalb des Zeitlimits zu bleiben. Phil Bauhaus, der bei der 3. Etappe auf den dritten Platz gesprintet war, sprach im Ziel-Interview mit der Sportschau von einem „relativ entspannten Tag“. Und wie unterschiedlich die Prioritäten sind, erklärte Bauhaus auch: Er trainiere das Zeitfahren „gar nicht“, „ich sitzte drei- bis viermal im Jahr beim Rennen auf dem Zeitfahrrad“.
Auch Nils Politt, der schon zweimal Deutscher Meister im Zeitfahren war, hatte den Fokus bereits auf die kommenden Aufgaben für seinen Kapitän Pogacar gerichtet. „Ich habe versucht, ein bisschen Spannung auf den Beinen zu halten, bin aber nicht Vollgas gefahren“, so das Fazit des Kölners. Beim aktuellen deutschen Zeitfahr-Meister Maximilian Schachmann war es nicht anders: „Wir sind hier, um Etappen zu gewinnen und fahren auf Gesamtwertung. Daher war das heute so ein bisschen wie ein Ruhetag“, so der Teamkollege von Evenepoel.
Sportschau Tourfunk, 09.07.2025 19:50 Uhr
6. Etappe mit Schlussanstieg
Die 6. Etappe könnte wie schon zweimal bei dieser Tour zu einem Schlagabtausch der Klassiker-Spezialisten wie van der Poel mit den Tour-Favoriten Pogacar und Vingegaard führen. Am Donnerstag geht es über 201 Kilometer von Bayeux nach Vire Normandie. Es geht ständig auf und ab, das lässt sich auch an den zu absolvierenden 3.550 Höhenmetern ablesen. Und nach sechs Bergwertungen folgt am Ende ein kurzer, steiler Anstieg. Gut möglich ist auch, dass erstmals eine Ausreißergruppe bei dieser Tour Erfolg hat.