Tourreporter
Tadej Pogacar feiert den 100. Sieg seiner Karriere und seinen ersten Etappensieg bei der Tour de France 2025. Im Kampf um Gelb bleibt ihm sein Rivale Jonas Vingegaard aber vor dem Zeitfahren auf den Fersen.
Hinter der Ziellinie nahm Tadej Pogacar breit grinsend die Glückwünsche seiner Teamkollegen entgegen. Sie feierten ihren Kapitän für seinen ersten Etappensieg am vierten Tag der Tour de France und den 100. Sieg seiner Karriere. „Ich werde niemals meinen ersten Sieg vergessen, aber auch 99 Siege später fühlt es sich immer noch super gut an, als Erster über die Ziellinie zu fahren“, sagte Pogacar.
Den Jubiläumssieg hatte er in einem Finale errungen, das wie gemacht war für den Slowenen: auf einem verwinkelten Kurs durch ein Wohnviertel oberhalb des Stadtzentrums von Rouen. „Heute war es wie bei einem Klassiker“, sagte Pogacar, „mit super viel Adrenalin im Finale.“
Sportschau Tourfunk, 08.07.2025 19:52 Uhr
Pogacars Attacke überrascht niemanden
Genau solche Szenarien liebt der Slowene. Weshalb man den Schluss dieser Etappe vorher schon hätte aufschreiben können. Hätte man auf eine Attacke von Pogacar gewettet am letzten Anstieg des Tages – in zwei Teile unterteilt mit jeweils einer schnurgeraden Straße und durchschnittlich 10,6 Prozent Steigung verteilt auf 800 Meter – man hätte lediglich seinen Wetteinsatz zurück bekommen.
Niemand war davon überrascht worden, am allerwenigsten Jonas Vingegaard und sein Team Visma-Lease a Bike. Die niederländische Mannschaft hatte sich deshalb schon in einer Abfahrt zehn Kilometer vor dem Ziel an die Spitze des Feldes gesetzt, um vorbereitet zu sein. „Ich glaube, wir hatten die perfekte Kontrolle“, verkündete Vingegaards Teamkollege Tiesj Benoot später nicht ohne Stolz.
Vingegaard am Limit – Pogacar auch
Dieser Stolz dürfte nicht zuletzt daher rühren, dass es Vingegaard wie schon zwei Tage zuvor erneut geschafft hatte, sich von Pogacar nicht abschütteln zu lassen auf einem Terrain, das dem Dänen deutlich weniger liegt als seinem Widersacher. „Das war wahrscheinlich die beste Leistung über eine Minute, die ich jemals gezeigt habe“, sagte Vingegaard.
Selbst als er kurz eine Lücke reißen lasssen musste, weil er auf der steilen Rampe ein Stück über seine Grenze gegangen war, fuhr er kurz darauf das Loch recht locker wieder zu, weil auch Pogacar an jenen Punkt geriet, an dem es nicht mehr weiter geht. Im Sprint der achtköpfigen Spitzengruppe war Vingegaard dann hinter Pogacar und dem Mann im Gelben Trikot, Mathieu van der Poel, als Dritter über die Ziellinie gefahren, was ihn wegen der Zeitbonifikationen sechs Sekunden auf Pogacar kostete.
Acht Sekunden trennen Pogacar und Vingegaard vor dem Zeitfahren der fünften Etappe in der Gesamtwertung. Das Duell der beiden findet auf Augenhöhe statt. „Die Tour ist noch sehr frisch. Im Moment schaue ich nicht auf das Klassement“, behauptete Pogacar, der sich wohl dennoch erhofft hatte, auf den explosiven Klassikeretappen in den ersten Tagen schon ein etwas üppigeres Sekundenpolster auf Vingegaard zu schaffen.
Größere Abstände beim Zeitfahren
Spätestens nach dem Zeitfahren in Caen wird Pogacar das Klassement schon etwas genauer in Augenschein nehmen. Denn dort wird es erstmals bei dieser Tour größere Abstände geben beim Kampf gegen die Uhr. Als „Rennen der Wahrheit“ bezeichnete Pogacar das Zeitfahren nach seinem Etappensieg in Rouen: „Das wird der erste Test, wie gut jeder Fahrer in Form ist.“
33 weitgehend flache Kilometer auf geraden breiten Straßen werden die Fahrer rund um Caen zu bewältigen haben, was den leichtgewichtigen Dänen eher benachteiligt. „Das ist natürlich nicht ideal für Jonas, aber die Strecke ist so, wie sie ist – die müssen wir hinnehmen“, sagte Vingegaards Sportlicher Leiter Grischa Niermann.
Kommt Evenepoel zurück ins Spiel?
In Caen wird sich auch weisen, ob Remco Evenepoel, der Vorjahresdritte, seinen fast schon eine Minute betragenden Rückstand auf Pogacar reduzieren oder gar in einen Vorsprung wandeln kann. Als Weltmeister und Olympiasieger im Zeitfahren rollt er am Mittwoch als der große Favorit auf den Etappensieg von der Startrampe.
„Man darf ihn nicht abschreiben. Das ist das perfekte Zeitfahren für ihn“, erklärte Pogacar und kündigte an, selbst Vollgas zu geben im Kampf gegen die Uhr: „Und dann werden wir sehen, wo ich stehe.“ Nicht auszuschließen, dass er danach auf dem Podium im Gelben Trikot steht – oder eben Jonas Vingegaard.