Tourreporter
Der deutsche Hoffnungsträger Florian Lipowitz meistert auch die schwierige 6. Etappe der Tour de France souverän. Nachdem er anfangs noch Zweifel hatte, tritt er zunehmend selbstbewusst auf.
Es ist die tägliche Tourroutine, die Florian Lipowitz nun schon zum sechsten Mal absolvierte. In Vire Normandie, dem Zielort der 6. Etappe der Tour de France, war Lipowitz als 15. ins Ziel gerollt. Die Favoriten auf den Gesamtsieg waren alle in Sichtweite. Das war das Hauptziel des Tages gewesen.
Nun saß der 24 Jahre alte Radprofi also wie jeden Tag nach verrichteter Arbeit auf der Rolle und gab Interviews. Auch das gehört zur Routine des Tages und man hat den Eindruck, dass Lipowitz auch diesen Teil der Arbeit jeden Tag etwas routinierter verrichtet. Genau wie den Teil auf der Straße.
Positives Zwischenfazit
Die Tour de France ist die größte Bühne des Radsports und Lipowitz, der sein Debüt in Frankreich gibt, ist in erster Linie dabei, um zu lernen. Das zumindest wird sein Team Red Bull-Bora-hansgrohe nicht müde zu betonen. Aber der junge Mann aus dem Schwäbischen lernt offenbar schnell.
Nachdem er anfangs noch Zweifel hatte, weil er das Gefühl hatte, nicht recht in Tritt zu kommen, zog er in Vire Normandie eine erste positive Zwischenbilanz nach sechs Tagen Tour. „Ich bin mehr als zufrieden“, sagte Lipowitz. „In der ersten Woche ist es einfach nur sicher durchkommen, nicht stürzen. Und ich glaube, soweit machen wir das ganz gut und haben uns da größtenteils rausgehalten.“
Noch drei hektische Tage überstehen
Drei Mal muss ihm und dem nominellen Kapitän der deutschen Equipe, Primoz Roglic, das noch gelingen. Die siebte Etappe am Freitag führt hinauf nach Mûr de Bretagne – einem Schlussanstieg, der noch einmal den Puncheuren entgegenkommt. Danach stehen zwei Sprintetappen auf dem Menü, bevor dann am französischen Nationalfeiertag im Zentralmassiv die erste Bergetappe ansteht.
Das ist das eigentliche Terrain, auf dem sich der ehemalige Biathlet wohlfühlt. Doch Lipowitz hat es in den vergangenen Tagen geschafft, sich auch auf jenem Gelände zu behaupten, dass eher den Fahrern der klassischen Eintagesrennen entgegenkommt.
Harter Tag in der Normandie
Das war auf der 6. Etappe eindrucksvoll zu sehen. Es war ein herausfordernder Tag gewesen: 201,9 Kilometer ein Auf und Ab durch die Normandie, während die Sonne vom Himmel brannte. Es dauerte rund 90 Kilometer, bis das Rennen eine Struktur hatte. Vorne eine achtköpfige Spitzengruppe, aus der schließlich der Ire Ben Healy als Solist gewann. Dahinter ein dezimiertes Hauptfeld mit Tadej Pogacar im Gelben Trikot, in dem sich auch Lipowitz befand.
„Die ersten zwei Stunden waren gefühlt nur Kampf um die Fluchtgruppe. Dann wurde es ein bisschen ruhiger, aber es war nie komplett klar. Es ging immer hoch und runter und das war auch hinten nicht ganz so einfach“, fasste Lipowitz das Geschehen zusammen und war froh, dass das Peloton rund um die Favoriten aus weniger Fahrern bestand. „Dann ist es ein wenig stressfreier und sich zu positionieren einfach.“
Selbstbewusst „all out“ gegangen
Die richtige Position zu halten auf den hektischen Etappen der ersten Tourwoche, ist eine der schwierigsten Herausforderungen. Dafür braucht es auch Erfahrung, die der junge Deutsche erst noch gewinnen muss. Aber nach seinem überraschenden dritten Gesamtrang bei der Dauphiné-Rundfahrt Anfang Juni, bei dem er nur die mehrmaligen Toursieger Pogacar und Jonas Vingegaard ziehen lassen musste tritt Lipowitz auch bei der Tour sehr selbstbewusst auf.
Florian Lipowitz gibt Autogramme nach der 6. Etappe
Im Finale der siebten Etappe in Vire Normandie führte er das Hauptfeld in die 700 Meter lange bis zu 14 Prozent steile Schlussrampe. „Es war einfach klar, im letzten Berg einfach ‚all out‘ zu fahren und versuchen dranzubleiben. Das war die Aufgabe heute“, sagte Lipowitz.
Diese Aufgabe erfüllte er sogar noch besser als sein Kapitän. Während Lipowitz zeitglich mit den Topfavoriten Pogacar und Vingegaard ins Ziel sprintete, verlor Roglic ein paar weitere Sekunden, weshalb der Slowene jetzt im Gesamtklassement nicht mehr vor, sondern hinter seinem deutschen Kollegen auf Rang zehn geführt wird.
Lipowitz behält den neunten Platz in der Gesamtwertung, auf den er sich am Vortag mit einem starken Zeitfahren vorgeschoben hatte. Seine Leistung im Kampf gegen die Uhr hat auch in Deutschland Aufmerksamkeit erregt und rückt die neue deutsche Rundfahrhoffnung noch ein bisschen mehr ins Rampenlicht, von dem sein Team ihn gerne noch ein bisschen fernhalten möchte. Doch das wird von Tag zu Tag schwieriger.