⇒Journalismus oder Grenzüberschreitung? Beachten Sie unsere Umfrage am Ende des Textes.
Was ist passiert?
„Das Portal nius.de des Ex-Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt ist am gestrigen Samstag Opfer einer Cyberattacke geworden. Dabei wurde die Webseite etwas umgestaltet (Defacement). Außerdem haben die Angreifer eine Datenbank mit mutmaßlichen Informationen etwa über Abonnenten der Plattform veröffentlicht“, berichtet Dirk Knop am Sonntag bei heise online. Bei dem Defacement der Webseite seien alle Überschriften auf der nius.de-Webseite durch eine URL ersetzt worden, ein Download-Link auf eine Datei, die json-Daten enthalte. „Die Datei umfasst offensichtlich Daten von rund 5700 Abonnenten: Vornamen und Namen, E-Mail-Adressen, verkürzte respektive pseudonymisierte Kreditkarten- oder Kontoinformationen sowie Informationen zu dem gewählten Abonnement-Typ“, erklärt Knop bei heise online.
Am Dienstagmittag schreibt Lars Wienand, Leitender Redakteur Recherche von T-Online, bei X: „Leak bei Nius – und was es neben Namen und Adressen von Abonnenten enthält: Hans-Georg Maaßen u.a. bekamen im System eine @ vius-Email-Adresse, 46 Nutzer haben Abo für 199,99 Euro Jahresbeitrag abgeschlossen.“ Wienand verweist auf seinen T-Online-Artikel „Tausende Namen geleakt: Hacker veröffentlichen Kundendaten von Nius“ in dem es auch darum geht, dass der geleakte Datensatz Aufschluss darüber geben soll, welche Einnahmen das Portal durch Abonnements erzielt.
Was wirft Reichelt T-Online und Spiegel vor?
Julian Reichelt reagiert auf die Veröffentlichung von T-Online mit einem langen Eintrag auf X. Darin heißt es: „Für T-Online hat @LarsWienand die gestohlenen Daten von Nius-Abonnenten ausgewertet, diese persönlichen Daten missbraucht, um die Betroffenen zu kontaktieren und ihnen Angst einzujagen, sie könnten irgendwo bloßgestellt werden. Die Angst dieser Leute ist in seinem Text sogar dokumentiert. Uns erreichen dazu besorgte Mails von Menschen, die Opfer einer Straftat geworden sind. Selbst die User von T-Online empfinden das als journalistischen Tiefpunkt, wie die Kommentare unter Wienands Tweet zeigen.“
Weiter schreibt Reichelt: „Uns liegen Informationen vor, dass auch Der Spiegel seit mehreren Tagen Opfer dieses Daten-Hacks kontaktiert und sie bedrängt. Diese Menschen wenden sich nun in teilweise dramatischen Mails an uns, weil sie Angst haben, von skrupellosen Journalisten offenbart zu werden. Darunter sind einige (interessanterweise linke) Politiker, die uns nun sagen, sie würden in ihren Parteien um ihre Karrieren fürchten, was viel über dieses politische Milieu aussagt.“ Für Reichelt geht es hier nicht um Journalismus, sondern um Aktivismus und Einschüchterung. Das linke Medienlager sei in Panik und scheue vor wirklich gar nichts zurück, um Menschen einzuschüchtern, die nicht links seien und es auch noch wagten, Nius zu lesen und für den Journalismus von Nius zu bezahlen, behauptet der ehemalige Bild-Chef. „Das ist ein Tiefpunkt, den ich mir nicht hätte vorstellen können.“
T-Online und Der Spiegel machen sich aus Sicht von Reichelt hier eine schwere Straftat zunutze, um ihre politische Agenda zu verfolgen. „Der in Deutschland (und besonders bei Linken) so heilige Datenschutz ist offenbar vollkommen egal, wenn es darum geht, Menschen nachzustellen und sie zu denunzieren, weil einem ihre politischen Ansichten verdächtig und nicht links genug erscheinen.“ Man habe den Angriff auf die Abonnnenten-Daten zur Anzeige gebracht. Ebenfalls habe man die Polizei darüber informiert, dass Journalisten des Spiegels nun gestohlene Daten nutzten, um die Nius Abonnenten zu bedrängen. Reichelt findet es angebracht, dass T-Online „diese erst durch kriminelle Energie ermöglichte Berichterstattung löscht und sich dafür entschuldigt“.
So reagieren Spiegel und T-Online
Lars Wienand antwortet dem Nius-Chef: „Sie verbreiten selbst den Link zu Artikel, die Sie so stört? Seltsam. Und auch wenn wir keine inhaltliche Antwort erhalten haben, war für Sie offenbar mein Hinweis hilfreich, wo die kriminell erbeuteten Daten Ihrer Kunden gestern Nachmittag weiter abrufbar waren. Gern geschehen!“
Anton Rainer vom Spiegel erklärt auf Bluesky: „Der Spiegel hat bisher btw bewusst noch nicht berichtet – aus Sorgfaltsgründen. Erstens, weil die Abonnentendaten noch lange online waren und wir Privatpersonen doxxen. Zweitents, weil es unklar war, ob die Daten echt sind. Drittens, weil auch Nius Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen muss.“
Reichelt kontert zu Rainers Beitrag via X: „Was DER SPIEGEL hier übersetzt sagt, ist dies: Menschen, die man beim SPIEGEL nicht für „Privatpersonen“ hält, dürfen und sollen angeprangert („gedoxxt“) werden. Es ist eine Vernichtungskampagne auf der Grundlage einer Straftat. Der SPIEGEL missbraucht Hehlerware für die eigene Politagenda. Genau wie Lars Wienand schon Personennamen veröffentlicht hat, plant man das beim Spiegel wohl auch. Links-aktivistischer Tiefpunkt im Journalismus.“
Am Mittwochvormittag berichtet der Spiegel nun über den Cyberangriff: „Datenbank enthüllt persönliche Daten Tausender Nius-Abonnenten“. Darin erklärt sich das Nachrichtenmagazin: „Der Spiiiiiiegegel hat seit Montag stichprobenartig einige in der Datenbank genannte Personen kontaktiert, um die Echtheit des Datensatzes einschätzen zu können. Allen Angefragten wurde versichert: ‚Wir vom SPIEGEL werden diese Daten selbstverständlich nirgends weiterveröffentlichen, und auch Ihr Name wird nicht in unserer Berichterstattung zu dem Vorfall vorkommen.«’Anders als Reichelt es später auf X darstellte, wurden die potenziell Betroffenen vom SPIEGEL nicht »bedrängt«, sondern in neutral gehaltener Form um Auskunft gebeten.“
Ein Nius-Vertreter hatte dem Spiegel am Montag über eine für Datenschutzanfragen gedachte E-Mail-Adresse mitgeteilt, dass man sich aufgrund „laufender Ermittlungen“ nicht zu einer Anfrage zum Hack äußern könne.
Lesen Sie auch: Wie weit will Frank Gotthardt mit Nius gehen- und gibt sich Julian Reichelt damit zufrieden?
Journalismus oder Grenzüberschreitung? Machen Sie bei unserer Umfrage mit:
Einmal am Tag: Exklusive Storys, Personalien, Debatten & Jobs in unserem kressexpress. Jetzt unseren kostenlosen Newsletter bestellen – und nichts mehr aus der Welt des Publishing verpassen!