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Im EM-Viertelfinale trifft Deutschland am Samstag (21 Uhr) in Basel auf das bisher so starke Frankreich. Durch die Sperre von Carlotta Wamser muss Frauen-Bundestrainer Christian Wück seine Startelf ohnehin umbauen, aber es könnte noch zu weiteren Änderungen kommen.
Christian Wück stellte sich gleich nach dem Spiel gegen Schweden (1:4) vor seine Mannschaft. Bei kritischen Nachfragen zu seiner linken Abwehrseite mit Rebecca Knaak (innen) und Sarai Linder (außen) sagte der Bundestrainer, dass es um das gemeinsame Verteidigen gehe – und das hätte nicht gut geklappt. Einen einzelnen Mannschaftsteil wollte der 52-Jährige nicht in den Senkel gestellt wissen.
Es ist wichtig, dass wir von innen heraus diesen Glauben weiterhin haben. Dass wir unsere Qualitäten kennen. Ich bin absolut überzeugt von dieser Mannschaft und möchte das an jede weitergeben.
Vize-Kapitänin Sjoeke Nüsken
Die Aufarbeitung der krachenden Niederlage gegen Schweden erfolgt aber sehr wohl (auch) entlang der unterschiedlichen Positionen, das hat Sportdirektorin Nia Künzer erklärt, die bei den wichtigen Gesprächen meist mit dabei ist.
Vor dem Viertelfinale gegen Frankreich stehen zwei zentrale Fragen: Wie schafft es Deutschland, kompakter zu verteidigen? Denn wenn das wieder nicht gelingt, ist die Partie gegen eine schnelle Mannschaft, wie sie die Französinnen stellen, schon so gut wie verloren. Und wie kann es gelingen, dass die DFB-Frauen gleichzeitig die durchaus anfällige Defensive des Gegners beschäftigt?
Tor
Ann-Katrin Berger ist und bleibt im Tor gesetzt. Auch wenn sie selbst und der Bundestrainer auf Nachfrage verneint haben, dass die Diskussionen um ihren Auftritt gegen Dänemark Einfluss auf ihre Leistung gegen Schweden hatten, so spielte die 34-Jährige doch anders als zuvor. Sie ging nicht mehr ins Dribbling, drosch aber auch einige Bälle schlicht nach vorn. Zu oft landeten sie nicht bei der Mitspielerin.
Fazit: Berger sollte wieder sie selbst sein – mit fußballerischer Klasse und Selbstbewusstsein. Davon würde nicht zuletzt das deutsche Aufbauspiel profitieren.
Ann-Katrin Berger wirkte gegen Schweden verunsichert. Kaum einer ihrer langen Bälle kam an.
Abwehr
Deutlich komplexer ist die Aufgabe in der Abwehrreihe, in der nach Giulia Gwinn (verletzt) mit Carlotta Wamser (ein Spiel gesperrt) auch noch die zweite als Rechtsverteidigerin ausfällt. Hinzu kommt die wackelige linke Seite – und die Diskussion, ob es Wück gegen Frankreich nicht lieber mit einer Dreierkette probieren sollte.
Wir gehen verschiedene Möglichkeiten durch. Aber natürlich, wenn man den Ausfall der Kapitänin auf der rechten Seite hat und dann den Ausfall der Nachfolgerin, dann muss man schon ein bisschen das Basteln anfangen.
Co-Trainerin Maren Meinert
In der zweiten Hälfte gegen Schweden gab Kathy Hendrich das rechte Glied der Dreierkette und betrieb Eigenwerbung. Kapitänin Janina Minge verteidigte zentral, Linder rückte ein Stück ein.
Co-Trainerin Maren Meinert deutete am Dienstag an, dass Hendrich ein Teil der Lösung sein könnte. Die 33-Jährige könnte genauso wie Sophia Kleinherne und auch Linder zudem als Rechtsverteidigerin auflaufen. Für die linke Seite hat Wück in Franziska Kett noch eine schnelle Alternative. Meinert ließ die Personalfragen aber unbeantwortet, auch weil noch keine Entscheidung gefallen sei.
Fazit: Die Abwehrreihe neu zu formieren, gleicht einem Vabanquespiel. Wück dürfte bei der Viererkette bleiben, aber durch die Hereinnahme von Hendrich und Kleinherne gegen die schnellen Französinnen mehr Tempo in die Verteidigungsreihe bringen.
Mittelfeld
Gegen die defensive Dreierkette spricht, dass der Kader darauf eigentlich nicht ausgerichtet ist. Durch die Systemumstellung würde es nur noch jeweils eine Spielerin auf der Außenbahn geben, was dem Team eine große Stärke in der Offensive rauben würde.
Wir müssen generell kompakter stehen – auch zwischen Viererkette, Mittelfeld und Sturm. Wir dürfen da keine Räume zulassen. Wir müssen besser durchschieben, damit wir uns gegenseitig besser absichern können. Wir dürfen keine Spielerin alleine lassen.
Vize-Kapitänin Sjoeke Nüsken
Bisher bildeten zwei Sechserinnen, von denen eine ein bisschen offensiver agierte, und eine Zehn das zentrale Mittelfeld im Wück’schen 4-2-3-1. Um hier mehr Kompaktheit herzustellen, könnte die typische Spielmacherin geopfert werden. Vor Senß auf der Sechs könnten neben Co-Kapitänin Sjoeke Nüsken noch Sara Däbritz oder Sydney Lohmann versuchen, die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen möglichst klein zu halten.
Elisa Senß (l.) und Sjoeke Nüsken haben zuletzt die deutsche Doppel-Sechs gebildet.
Fazit: Sowohl Linda Dallmann (gegen Polen und Dänemark) als auch Laura Freigang (gegen Schweden) konnten von der Zehn aus keinen großen Einfluss auf das Spiel nehmen. Um für mehr Kompaktheit zu sorgen, würde es deshalb nahe liegen, eine defensivere Mittelfeldspielerin aufs Feld zu schicken. Lohmann wäre die fürs schnelle Umschalten. Däbritz liegt der geordnete Spielaufbau mehr.
Sturm
Auf dem Papier liest sich die Ausbeute der Sturmreihe sehr gut. Lea Schüller und Jule Brand haben beide schon zweimal getroffen. Brand hat zudem zwei direkte Torvorlagen gegeben – und Klara Bühl ist an vielen gefährlichen Angriffen beteiligt.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die effektive Schüller zu wenig von ihren Mitspielerinnen eingebunden wird – und Brand auch vom starken Offensivdrang der nun gesperrten Wamser hinter ihr profitierte. Wamser bereitete ihre beiden Treffer vor. Bühl fehlt noch der letzte Zug zum Tor und ihre Flanken haben auch noch nicht zum Erfolg geführt.
Fazit: Die Flankenqualität und auch die Passgenauigkeit im Angriffsdrittel lassen noch zu wünschen übrig. Beides zieht sich wie ein roter Faden durch das Turnier. Die Torgefahr von Schüller, der herausragende 54 Treffer in 78-Länderspieleinsätzen gelungen sind (knapp 0,7 Tore pro Spiel), muss noch mehr zur Geltung gebracht werden. Das Trio bleibt gesetzt, muss aber noch besser zusammenarbeiten.