Alex Popp zu Equal Pay im Fußball: „Ich kann es nicht mehr hören“

Für die deutsche Mannschaft ist die Europameisterschaft in der Schweiz das erste Turnier ohne Alex Popp. Im kicker-Podcast „Verboten gut“ spricht die ehemalige DFB-Kapitänin über ihre Anfänge im Fußball, warum sie das Thema Equal Pay nicht mehr hören kann und wie ein Gorilla ihr Herz gestohlen hat.

Frau Popp, es ist Ihr erstes Turnier, bei dem Sie nicht auf dem Platz stehen, sondern auf der Tribüne sitzen. Wie ist das für Sie?

Sehr schön! Es ist befreiend zu wissen, dass man nicht mehr diesen Druck und diese Verantwortung hat, die man doch viele Jahre auf dem Buckel hatte. Es zeigt mir, dass es der richtige Zeitpunkt war, aufzuhören. Dass ich das selbst entscheiden durfte, macht das ganze rund.

Welche Vor- und Nachteile hat es denn, Kapitänin der deutschen Nationalmannschaft zu sein?

Es ist eine wahnsinnige Ehre dieses Vertrauen zu bekommen, das Bindeglied zwischen Mannschaft und Trainerteam zu sein. Ein Nachteil ist es, dass es auch sehr kräftezehrend sein kann, wenn es mal nicht läuft, wenn kritische Themen auf dem Tisch liegen, die besprochen und organisiert werden müssen, zum Beispiel Prämienverhandlungen. Wenn es sportlich nicht läuft, muss grundsätzlich immer der Kapitän was sagen, warum es nicht geklappt hat. Nach dem Vorrunden-Aus bei der WM 2023 wollte ich nicht unbedingt vor den Mikros stehen und was dazu sagen. Aber das gehört einfach dazu.

Special: Alex Popp im Interview

15.07.25 – 06:00 Uhr
33:00 Minuten

Fast wäre es gar nicht zu Ihrer großen Karriere gekommen. Sie haben, wie viele Mädchen, erst mit Jungs zusammengespielt. Wann sind Sie in eine Mädchenmannschaft gekommen?

Da war ich ungefähr 13 oder 14 Jahre alt. Ich wollte tatsächlich aufhören mit dem Fußball. Ich habe seitdem ich vier Jahre alt war, mit den Jungs zusammengespielt, wir waren ein eingeschworener Haufen, da wollte ich nicht weg. Ich selbst hatte nicht den Blick über den Tellerrand, was Frauen- und Mädchenfußball betraf. Ich wusste nicht, dass es auch Frauenfußball gab, das war einfach nicht präsent. Das ist verrückt.

„Verboten gut – Wie Frauen den Fußball erobern“ – Jetzt hier hören

Sie haben dann doch nicht aufgehört. Warum?

Zum Glück hatte ich einen Trainer, der mir in den Hintern getreten hat und gesagt hat: Komm, du gehst da hin, schaust es dir mal an und dann kannst du dich immer noch entscheiden. Dann bin ich ins Training und habe gesehen, dass die Mädels ganz schön gut Fußball spielen konnten. Erst mit 14 habe ich dann gewusst, dass es auch eine Frauennationalmannschaft gibt.

Haben Sie noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Mitspielern?

Einer von ihnen ist mein bester Freund. Einige treffe ich hier und wieder auf Veranstaltungen. Letztes Jahr war ich auf dem Weihnachtsmarkt bei uns im Dorf, da trifft man natürlich viele. Es ist immer schön, zusammen in Erinnerungen zu schwelgen. Das war damals eine coole Zeit.

Für die Männer ist es sicherlich auch ganz schön, heute sagen zu können: Hey, ich habe mit Alex Popp zusammengespielt, oder?

Darüber haben wir tatsächlich noch nie gesprochen. Diese Frage habe ich nie gestellt. Aber ich glaube schon, dass sie auch stolz sind, sagen zu können, dass sie mich damals mit aufgezogen haben. (lacht)

Viele Spielerinnen haben neben dem Fußball eine Ausbildung gemacht. Sie haben eine spezielle Kombination gewählt. Sie sind Tierpflegerin.  Wie kam es zu diesem Berufswunsch?

Ich habe erst ein Praktikum gemacht und bei den Affen angefangen. Die sind uns am nächsten. (lacht) Meinen ersten Tag hatte ich bei den Gorillas. Die Tierpflegerin hat mit dem Gorilla ein sogenanntes Medical Training gemacht, damit er seine Hand an das Gitter hält. Der Silberrücken kam also, hat seine Hand ans Gitter gehalten, ich habe meine Hand dagegen und wir haben uns tief in die Augen geblickt. Das war ein Tarzan-Jane-Feeling, ein magischer Moment. Der Gorilla hat mich völlig in seinen Bann gezogen, in das Leben der Tiere. Da wusste ich, dass ich das machen will.

Vorgesehen war für Sie eigentlich ein Bürojob …

Das ist eine herrliche Geschichte. (lacht) Zu der Zeit bin ich zum VfL Wolfsburg gewechselt. Ralf Kellermann (damaliger VfL-Trainer, Anm. d. Red.) wusste, dass ich eine Ausbildung machen möchte. Er kam zu mir und sagte: „Poppi, du musst dir keine Gedanken machen, ich habe dir einen Ausbildungsplatz in der Geschäftsstelle geblockt. Passt alles, oder?“ Ich habe ihn angeschaut und gesagt: „Mich musst du nicht in ein Büro setzen. Das tut mir leid, aber nee.“ Er hat mich dann gefragt, was ich sonst machen möchte. Ich habe ihm gesagt, dass ich Zootierpflegerin werden möchte. Da hat er große Augen gekriegt und hatte auch ein bisschen Panik, glaube ich. (lacht)

Wie war das mit Ihrem Training kompatibel?

Eigentlich geht die Ausbildung drei Jahre lang. Dann stand die Weltmeisterschaft in Kanada 2015 an und mein Chef im Tierpark Essehof hat netterweise angeboten, dass ich ein halbes Jahr dranhängen kann, um die WM zu spielen. Auf der einen Seite hat mir die Arbeit im Tierpark so viel gegeben, auf der anderen Seite war es sehr anstrengend. Ich hatte quasi gar keine Regenerationszeit. Wenn ich frei hatte, war ich arbeiten und der Job im Tierpark ist nun mal körperliche Arbeit. 15 Kilometer laufen war normal, ich habe Strohballen von links nach rechts geschoben. So konnte ich leider nicht weitermachen und habe mich für den Fußball entschieden.

Bei der EM in der Schweiz gibt es Rekordprämien. Bei einem Sieg der DFB-Elf erhält jede Spielerin 120.000 Euro vom DFB. Einige Stimmen fordern aber weiter Equal Pay …

Ich kann es nicht mehr hören. Natürlich braucht es mehr Geld für die Entwicklung des Frauenfußballs. Aber ich glaube es gibt wenige Spielerinnen, die ganz klar betonen, dass sie genauso viel Geld wollen wie die Männer. Ich kenne in Deutschland niemanden, der das gesagt hat. Wenn ich ehrlich bin, will ich gar nicht so viel Geld. Das nimmt bei den Männern völlig Überhand.

Was braucht es neben Geld denn noch?

Fakt ist, wir haben den gleichen Zeitaufwand wie die Männer. Ich würde mir einfach nur ein Stück weit mehr Respekt und Akzeptanz wünschen. Lasst uns doch einfach Fußball spielen. Diese ständigen Vergleiche sind mühsam. Seit ich vier Jahre alt bin muss ich mich damit auseinandersetzen, dass Mädchen und Frauen keinen Fußball spielen dürfen oder sollen. Ich habe also 30 Jahre Fußball hinter mir und muss immer noch über das Thema reden. Das ist traurig und energieraubend und geht mir dementsprechend irgendwann auf die Nerven.

Verboten gut, Ep6: Herzaugen – mit Giulia Gwinn & Svenja Huth

04.07.25 – 06:00 Uhr
31:16 Minuten

Heute sind Sie Idol und Vorbild für viele.

Das macht mich natürlich stolz. Ich habe immer nur das gemacht, wo ich meinen Spaß hatte, wo ich meine Leidenschaft gefunden haben. Dass ich jetzt kleine Mädchen und teilweise sogar Jungs euphorisieren kann, das verstehe ich manchmal gar nicht so richtig. Ich stehe hier aber nicht alleine, das habe ich nicht alleine geschafft. Ich bin dankbar, dass wir schon immer extrem starke Frauen hatten, die sich mit den Männern zusammengesetzt haben, diskutiert haben, stark geblieben sind. Sonst würden wir nicht hier stehen. Solche Frauen wie Birgit Prinz oder Doris Fitschen haben auch mir persönlich den Weg geebnet.

Spannende Hintergründe und Einblicke zur Geschichte des deutschen Frauenfußballs gibt es im neuen kicker Podcasts „Verboten gut – Wie Frauen den Fußball erobern“. Zu hören in der kicker App, auf kicker.de und überall da, wo es Podcasts gibt, unter anderem auf Spotify, Apple Podcast, Amazon Music und Deezer.

Interview: Isabella Fischer

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