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Seite 1Warum die Klub-WM ein Reinfall war
- Seite 2Fußballkultur kann man nicht kaufen
Niemand kann das Dynamic Pricing täuschen, nicht einmal die Fifa. Das Modell, das so ähnlich auch Fluglinien benutzen, passt den Preis kontinuierlich den Marktbedingungen an. Gnadenlos. Wollen viele Leute zur selben Zeit fliegen, steigen die Ticketpreise. Will niemand, fallen sie. Nun kostete das billigste Ticket für das Halbfinale der Klub-WM am Mittwoch vor einer Woche noch 473,90 Dollar. Etwa 72 Stunden später nur noch 13,40 Dollar. Der Eintritt zu einem der wichtigsten Spiele jenes Turniers, das der Fifa-Chef Gianni Infantino am Samstag mal wieder als „erfolgreichsten Vereinswettbewerb der Welt“ bezeichnete, war damit günstiger als ein Stadionbier.
Vor dem Finale am Sonntag steht schon jetzt fest: Diese Klub-WM war ein Rohrkrepierer. Gemessen an den Erwartungen des Fifa-Chefs in jedem Fall. Aber auch sonst. Und das ist gut so. Vielleicht wird man sich sogar irgendwann mal an dieses Turnier erinnern und sagen: Das war der Punkt, an dem offensichtlich wurde, dass sie es übertrieben haben.
Alles, was falsch läuft im modernen Fußball
Dass das Turnier in jeder Hinsicht eine Zumutung ist, wurde schon vorab lange debattiert. Ein überdimensioniertes Monstrum, nur geschaffen, um noch mehr Geld zu scheffeln. Geld, das, wie die Fifa behauptet, der weltweiten Entwicklung des Sports dienen soll, aber vor allem die Integrität der bestehenden Wettbewerbe bedroht. Die Klub-WM ist der Feind der Bundesliga, der Premier League, auch der südafrikanischen Premier Division. Denn mit dem Geld, das die Superklubs in den USA verdient haben, vergrößern sie ihren finanziellen Vorsprung daheim nur noch mehr. Einzig die unterhaltsame Transferpolitik Max Eberls lässt hoffen, dass die 50 Millionen, die die Bayern mit nach Hause nehmen, nicht ein weiteres Puzzlestück zur nächsten zehnjährigen Meisterserie der Bayern sein werden.
Die Klub-WM ist damit nicht nur „die schlechteste Idee, die jemals im Fußball umgesetzt wurde“, wie Jürgen Klopp feststellte. Sie bündelt auch alles, was falsch läuft im modernen Fußball. Der Fokus auf Superstars statt auf die Mannschaft, auf Influencer statt Fans, auf die globale TV-Audienz statt der Atmosphäre im Stadion. Dazu Popcornfußball mit albernen Showeffekten, Countdowns vor Spielbeginn, Einlaufzeremonien, bei denen Spieler einzeln in Stadien voll leerer Sitzschalen traben.
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Und alles finanziert von dieser schon jetzt legendären Milliarde Dollar, mit der Saudi-Arabien sich zehn Prozent des Streamingdienstes Dazn kaufte, zufälligerweise kurz nachdem Dazn an die Fifa eine Milliarde Dollar für die Übertragungsrechte jenes Turniers überwies, das sonst keiner übertragen wollte. Das Preisgeld, mit dem die Fifa die großen europäischen Vereine lockte, die eigentlich keine Lust hatten: eine Milliarde Dollar. Und zwischendurch vergab die Fifa die echte Fußball-WM nach, genau: Saudi-Arabien.
Aber schlechte Nachrichten für Saudi-Arabien und Gianni Infantino. Dieses Turnier zeigt, dass die Endloskommerzialisierung des Spiels doch Grenzen haben könnte. Denn der Klub-WM fehlt, was den Fußball so populär gemacht hat: Menschen etwas fühlen zu lassen.
Diese Klub-WM war vielen einfach egal. Die Stadien waren nicht nur sprichwörtlich halb leer. In der Gruppenphase blieb jeder zweite Sitz frei, obwohl die Fifa die Tickets am Ende verramschte. Für solch eine Quote würde sich jeder anständige deutsche Zweitligist schämen. „Das ganze Umfeld war ein bisschen eigenartig. Das Stadion war fast leer“, sagte Chelseas Trainer Enzo Maresca. Bayerns Joshua Kimmich sagte, dass er vor Ort „nicht so eine Euphorie“ spüre. Egal, solange die Fifa zahlt.
Hierzulande waren auch die TV-Quoten mau, das Turnier ließ die Deutschen nur mit den Schultern zucken. Dazn verschweigt seine Quoten, aber am Mittwochabend zum Beispiel schauten auf ProSieben 1,15 Millionen Menschen das Halbfinale zwischen Real Madrid und Paris Saint-Germain, zwei der besten Teams der Welt. Im ZDF sahen zeitgleich mehr als doppelt so viele, 2,8 Millionen, ein EM-Vorrundenspiel der Frauen, Frankreich gegen England. Und hat in der Kantine, Kneipe oder am Abendbrottisch jemals jemand ernsthaft über die Klub-WM geredet?
Am ehesten über eine Verletzung: Wer am TV gesehen hat, in welchem Winkel Jamal Musialas Fuß von seinem Bein abstand, wird den Anblick nie vergessen. Tragisch und bezeichnend, dass dies das Bild ist, das den meisten deutschen Fußballinteressierten von diesem Turnier in Erinnerung bleiben wird.