„90 Abkommen in 90 Tagen“ hatte der US-Präsident nach seinem „Liberation Day“ versprochen. Doch nach gut drei Monaten globalem Handelskrieg ist klar: Mit dem Zollhammer hat er bisher fast nichts erreicht. Seine Deals sind bloß Effekthascherei – wie er es als Baulöwe gelernt hat.
Donald Trump gibt der Welt eine letzte Chance. Wieder einmal. Diesmal wirklich. „Die Zölle werden ab 1. August 2025 greifen. An diesem Datum hat sich nichts geändert – und wird sich auch nichts ändern. Kurz gesagt: Ab dem 1. August 2025 ist das Geld fällig und muss auf dem Tisch liegen – es wird keine Fristverlängerungen geben“, drohte der US-Präsident in dieser Woche auf Truth Social.
Es ist bereits die zweite Verschiebung der größten Zollerhöhung seit den 1930er Jahren, die Trump Anfang April am „Liberation Day“ erst verkündet und kurz darauf großteils wieder ausgesetzt hatte. In dieser Woche schickte er seinen ständigen Drohungen nun Mahnschreiben an die wichtigsten US-Handelspartner hinterher und setzte ihnen wieder einmal eine neue Deadline. Das Weiße Haus behandelt den Rest der Welt inzwischen wie ein Inkassounternehmen, das ohne nachvollziehbare Grundlage nach Belieben Außenstände eintreibt. Kein Wunder, dass sich die Zahlungsbereitschaft in Grenzen hält.
„90 Deals in 90 Tagen“ hatte Trumps oberster Handelskrieger Peter Navarro nach den historischen Strafzöllen im April versprochen. Angeblich stehen dutzende Länder Schlange, um bahnbrechende Abschlüsse mit Trump zu machen. „Mein Postfach war letzte Nacht voll mit jeder Menge neuer Angebote, einer Reihe neuer Vorschläge. Es werden ein paar geschäftige Tage,“ behauptete US-Finanzminister Scott Bessent noch vor wenigen Tagen im US-Fernsehen, als Trump seine Mahnbriefe zu verschicken begann. Doch zu sehen ist davon nichts. Trumps ursprüngliche Frist ist längst um. Und sein Ziel hat er bisher nicht annähernd erreicht.
Ein Verhandlungsgenie ohne Deals
Seit Monaten zeichnet sein Umfeld ein Bild von Trump als brillantes Verhandlungsgenie, das mit Amerikas Gegnern „vierdimensionales Schach“ spielt und mit seinem Zoll-Hickhack immer einen Zug voraus ist. Doch „die großartigste wirtschaftliche Meisterstrategie der Geschichte“, wie Trumps Vize-Stabschef Stephen Miller den Zollpoker nannte, hat bislang wenig gebracht. Die Wall Street singt Spottlieder darauf, dass Trump sich mächtig aufplustert, aber am Ende immer einknickt. Und selbst die Deals, die Trump bislang gemacht hat, sind tatsächlich höchstens Rahmenabkommen. Oder sie stellen einfach den alten Zustand wieder her, den Trump zuvor mit seinen Zolldrohungen selbst kaputt gemacht hatte.
Die erste Übereinkunft mit Großbritannien, die Trump schon im Mai geschlossen hatte, kommt einem echten Deal noch am nächsten. Hier haben sich London und Washington auf eine vergleichsweise geringfügige Zollerhöhung von 10 Prozent für die meisten britischen Waren geeinigt, inklusive Autos. Dafür gibt es keine Aufschläge für Stahl oder Aluminium. Eine zweite Vereinbarung wurde vergangene Woche mit Vietnam erreicht. Hier sollen nun 20 Prozent für die meisten Exporte gelten und 40 Prozent für alle Ausfuhren aus China, die nur über das südostasiatische Land umgeleitet werden.
Was genau das heißt, bleibt aber unklar. Nicht mal einen Text der Vereinbarung gibt es. Es fehlt das Kleingedruckte: „Falls diese Abkommen überhaupt veröffentlicht werden, wird man sehen, wie oberflächlich sie sind, wie sehr es darin an verbindlichen Zusagen mangelt“, urteilt Bloomberg-Reporter Brandon Murray in einem Podcast. „Das sind Geschäftsvereinbarungen, keine echten Handelsabkommen.“
Die Welt lässt sich nicht erpressen
Die echten Handelsschwergewichte der Welt lassen sich bislang erst recht nicht erpressen. So drohte Trump Brasilien Zölle von 50 Prozent an, um ein Ende des juristischen Verfahrens wegen mutmaßlicher Umsturzpläne gegen den Ex-Präsideten und Trump-Freund Jair Bolsonaro zu erwirken. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva antwortete mit einem feurigen Post: „Brasilien ist eine souveräne Nation mit unabhängigen Institutionen – und wird keine Form der Bevormundung akzeptieren“. Lula gelobte „die entschlossene Verteidigung der Interessen des brasilianischen Volkes.“
Die EU-Kommission vermeidet den öffentlichen Schlagabtausch zwar tunlichst und arbeitet lieber im Stillen an einem Abkommen. Doch in der Sache hat sich auch Brüssel bislang keinen Millimeter bewegt. Auffälligerweise hat Trump dorthin auch noch keinen Mahnbrief geschickt. Europa gibt den Druck ans Weiße Haus zurück und setzt eine Gegenfrist: Ist bis zum 14. Juli keine Einigung in Sicht, tritt die erste Stufe der Gegenmaßnahmen in Kraft. Will Trump das noch verhindern, muss er seine Zölle auf Stahl, Autos und Aluminium deutlich senken.
Und mit China hat der US-Präsident gerade mal einen fragilen Waffenstillstand erzielt, der im August auslaufen wird. Das von Trump hoch gepriesene Rahmenabkommen über die Wiederaufnahme der Lieferung seltener Erden wurde von Peking immer noch nicht abgenickt. Es lässt zudem Hintertüren offen, die Versorgung mit diesen essenziellen Rohstoffen jederzeit einzustellen. Bevor Trump begann, den Zollhammer zu schwingen, hatte China weitgehend verlässlich geliefert. Damit dürfte es nun mittelfristig vorbei sein. Peking hat geschworen, im Streit mit Trump auf keinen Fall klein beizugeben.
Gnadenlose Prahlerei mit Weltzerstörungspotenzial
Trotz alldem verkauft Trump seinen Handelskrieg als spektakulären Erfolg: Es ist die wichtigste Lektion, die er als aufstrebender Baulöwe in New York gelernt hat. Seit 1987 verkauft er sie schon als meisterhafte Geschäftsstrategie. Jetzt trägt er diese Strategie auf die Weltbühne.
In „The Art of the Deal“ bezeichnet Trump selbst gnadenlose Prahlerei als Geheimnis seines Erfolgs: „Ich spreche die Fantasien der Menschen an. Die Leute wollen glauben, dass etwas das Größte, das Beste und das Spektakulärste ist“. „Truthful hyperbole“ nennt Trump das, übersetzbar mit „ehrliche Übertreibung“: „Es ist eine harmlose Form der Zuspitzung – und eine äußerst wirkungsvolle Art der Selbstvermarktung.“
Trump sieht darin keine Lügen, nur eine strategische Dehnung der Wahrheit. Menschen wollten an das Spektakel glauben, sagt Trump. Doch im globalen Handelskrieg zieht dieser Trick nicht. Nach drei Monaten Zollpoker hat der Rest der Welt sein Theater längst durchschaut.
Genau darin liegt auch die große Gefahr. Trump hat sich mit seinen Scheinerfolgen und Drohungen so in die Ecke manövriert, dass er kaum noch einen Ausweg finden kann, ohne sein Gesicht zu verlieren. Gut möglich also, dass er sein Horrorszenario drakonischer Strafzölle bald wahrmachen muss, nur um seine Glaubwürdigkeit zu retten. Aber auch damit wird er die versprochenen Deals nicht bekommen. Der Welt – und auch den USA selbst – droht dagegen die nächste große Depression.
Trump weiß, dass er nicht ewig bluffen kann. „Du kannst die Leute nicht für dumm verkaufen – jedenfalls nicht auf Dauer“, resümierte er selbst in seinem Buch. „Du kannst Stimmung machen, tolle Werbung verbreiten, vielleicht auch etwas übertreiben. Aber wenn du am Ende nicht lieferst, merken die Leute das irgendwann.“ Daran könnte er bald erinnert werden.