Herr Paxton, Sie erforschen die Evolutionsökologie von Insekten an der Universität Halle-Wittenberg. In Schleswig-Holstein wurde kürzlich erstmals die sogenannte Asiatische Hornisse, eine invasive Art, gesichtet. In Westdeutschland ist sie schon länger verbreitet. Seit diesem Jahr wird sie als „etabliert“ eingestuft. Was bedeutet das?
Das heißt, dass Sichtungen der Asiatischen Hornisse, Vespa velutina, nicht mehr meldepflichtig sind. Die Art kommt in Deutschland mittlerweile sehr häufig vor, und die Behörden haben nicht mehr die Kapazitäten, jedes gemeldete Hornissenvolk zu bekämpfen.
Dass die Meldepflicht entfällt, hat auch zur Folge, dass der Staat nicht mehr für die Kosten zur Entfernung der Nester aufkommen muss.
Das ist richtig. Wer ein Nest im eigenen Garten entfernen möchte, sollte trotzdem Fachleute hinzuziehen. Man muss sehr gut geschützt sein, und die Nester sind oft sehr weit oben, was zusätzliches Gefahrenpotential bedeutet.
Wie gefährlich ist die Asiatische Hornisse für uns Menschen?
Für Menschen ist der Stich an sich nicht schlimmer als bei einer Honigbiene. Wenn man ein Nest stört und die Hornissen sich verteidigen, kann es auch einmal gefährlich werden. Im Gegensatz zu Bienen können Hornissen mehrfach stechen und verlieren ihren Stachel nicht. Das ist bei den Europäischen Hornissen aber auch so. Nicht zu verwechseln ist die Asiatische Hornisse übrigens mit der Asiatischen Riesenhornisse. Ein Stich von ihr soll sehr schmerzhaft sein. Diese Art kommt in Europa allerdings nicht vor.
Robert Paxton ist Zoologe an der Universität Halle-Wittenberg und erforscht die Evolutionsökologie von Insekten.Michael Deutsch / Universität Halle-Wittenberg
Worin unterscheidet sich die Asiatische Hornisse von der Europäischen Hornisse?
Die Asiatische Hornisse ist dunkler und auch etwas kleiner als die Europäische Hornisse. Der größte Unterschied liegt allerdings im Verhalten. Die Asiatische Hornisse ernährt sich überwiegend von Honigbienen. Sie wartet vor dem Nest und schnappt sich eine Biene, die rein- oder rausfliegt. Dann kommt die nächste Hornisse und frisst die nächste Biene. Wenn das Bienenvolk merkt, dass draußen Hornissen warten, fliegt es nicht raus. Dann sammelt das Volk keinen Nektar und wächst nicht mehr. Dagegen frisst die Europäische Hornisse zwar ab und zu einmal eine Honigbiene, aber sie geht nicht regelmäßig gezielt zu den Nestern.
Wie kam die Asiatische Hornisse nach Deutschland?
Nach Europa kam sie vermutlich 2004, sie wurde unabsichtlich mit einem Schiff von Ostasien in die Nähe von Bordeaux nach Frankreich gebracht. Von dort hat sie sich dann ausgebreitet. Das erste Mal in Deutschland wurde sie 2014 gesichtet. Bisher hat sie sich vor allem im Westen Deutschlands angesiedelt, in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Im Osten Deutschlands wurde sie noch nicht gesichtet. Die Befürchtung ist jedoch, dass sie auch dorthin kommt. Das ist nur eine Frage der Zeit.
Hat die Asiatische Hornisse – abgesehen von ihrem Hunger auf Honigbienen – sonst noch Auswirkungen auf das heimische Ökosystem?
Selbst wenn es kaum Honigbienen in einer Region gibt, vermehrt sich die Asiatische Hornisse trotzdem und weicht auf andere Insekten aus. Die Nester können riesengroß werden. Die Asiatische Hornisse frisst eine hohe Quantität an Insekten-Biomasse. Die ökologischen Auswirkungen können immens sein. Im schlimmsten Fall hat das nicht nur Auswirkungen auf die Bienen, sondern zum Beispiel auch auf Singvögel, die dann weniger Nahrung für ihre Jungtiere zur Verfügung haben.
Und die wahrscheinlich keine Hornissen fressen.
Der Bienenfresser, ein schöner Vogel, ernährt sich auch von Hornissen. Aber wir werden nie genug Bienenfresser haben, um der Asiatischen Hornisse etwas entgegenzusetzen. Gebietsfremde Arten werden dann invasiv, wenn sie dort, wo sie hingebracht werden, keine oder kaum natürliche Feinde haben. Dann können sie sich explosionsartig vermehren.
Wie auch Nilgänse oder die sogenannte Große Drüsenameise, die zum Beispiel in Darmstadt in Hessen und in Kehl in Baden-Württemberg vorkommt. Dort soll sie sogar schon Stromnetze lahmgelegt haben, weil sich die Kolonien in Stromkästen ansiedeln.
Invasive Arten werden meistens von Menschen eingeschleppt, so wie bei der Asiatischen Hornisse auch. Seit es den internationalen Handel gibt, kommen immer wieder gebietsfremde Arten nach Europa. Das Problem ist, dass dadurch heimische Tierarten verdrängt werden können. Das kann zu einer Homogenisierung ökologischer Gesellschaften und einem Verlust der Biodiversität führen.
Was man eigentlich nicht denken würde, wenn neue Arten hinzukommen.
Eine solche Homogenisierung ist vor allem im urbanen Raum zu beobachten. Städte auf der ganzen Welt haben eine ähnliche Ökologie, es kommen also ähnliche Arten vor. Der Waschbär kommt eigentlich aus Amerika, der Marderhund aus Ostasien. Hier in Deutschland sind beide Arten mittlerweile weit verbreitet. Trotzdem müssen wir lernen, mit eingewanderten Arten wie der Asiatischen Hornisse zu leben. In den meisten Fällen sind sie nicht mehr aus Deutschland wegzukriegen.