Frauen-EM – Italien hat allen Grund zur Sorge vor Spaniens Klasse

Stand: 10.07.2025 11:22 Uhr

Italien steht vor dem letzten Spieltag in Gruppe B mit vier Punkten eigentlich gut da. Der Viertelfinal-Einzug wäre nur Formsache, ginge es nicht gegen Weltmeister Spanien.

Belgiens Trainerin Elisabet Gunnarsdottir war mit den Nerven am Ende, als sie sich am Montagabend nach der Partie gegen Spanien in die Umkleidekabine schleppte. „Ich hätte weinen wollen“, bekannte die Trainerin später, „ich habe wirklich an das geglaubt, was wir taten“, meinte sie.

Die Isländerin musste nach der 2:6-Klatsche gegen die Weltmeisterinnen aber anerkennen: „Die Spanierinnen sind so gut darin, Entscheidungen zu treffen. Wenn man ihnen rund um den Strafraum Zeit oder Raum gibt, nutzen sie diesen gnadenlos.“

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5:0 gegen Portugal, 6:2 gegen Belgien – Spanien ist die bislang alles überragende Mannschaft bei der EM. Ganz genau hingeschaut haben da natürlich auch die Italienerinnen. Sie sind am Freitag (ab 20.15 Uhr im Ersten und im Livestream) der dritte Gegner der Weltmeisterinnen. Wahrscheinlich graut es ihnen schon vor dem Match. Denn es könnte schlimm kommen. „Da kommt noch mehr, das ist das Beängstigende“, glaubt die ehemalige irische Nationaltorhüterin Emma Byrne, die für den britischen Sender ITV kommentiert.

Chance für Portugal – wenn Italien verliert

Eigentlich hat Italien vor dem letzten Gruppenspiel eine ganz komfortable Ausgangsposition. Vier Zähler nach zwei Spielen bedeuten: Mit einem Unentschieden im letzten Match stünden „Le Azzurre“ sicher im Viertelfinale. Bei einer Niederlage gegen Spanien sieht das aber ganz anders aus. Im Parallelspiel könnte Portugal (aktuell ein Punkt) mit einem mehr oder weniger deutlichen Sieg gegen Belgien noch vorbeiziehen (ab 20.15 Uhr im Livestream). Je nachdem, wie hoch Italiens Niederlage gegen Spanien ausfallen würde.

1:1 – im Spiel zwischen Italien und Portugal hatte es keinen Sieger gegeben.

Es wird also spannend am Freitag, wenn beide Partien parallel zueinander stattfinden. Für Italien wird es darum gehen, irgendwie Spaniens Spielwitz einzudämmen. Belgien hatte das schon phasenweise geschafft, um am Ende trotzdem regelrecht unterzugehen. „Sie spielen auf einem anderen Niveau, als wir es ansonsten bei dieser EM sehen“, findet Belgiens Gunnarsdottir.

Italien-Verteidigerin Oliveiro: „Haben keine Angst“

Es klingt ein wenig wie das laute Rufen im Wald, wenn Italiens Verteidigerin Elisabetto Oliveiro auf der Pressekonferenz vor dem Match behauptet: „Das ist kein Scherz: Ich sage Ihnen, wir haben keine Angst, denn es geht nicht um Angst.“

Italien werde zwar mit Respekt vor den Gegnerinnen auflaufen, aber: „Wir werden gegen Spanien wie gegen jede andere Nation spielen, auf die wir treffen.“ Chancenlos sei man nicht, denn auch Spanien habe Schwachstellen.

Spanien hat gleich mehrere Unterschiedsspielerinnen

Tatsächlich aber ist vor allem die offensive Power enorm, die das Team von Trainerin Montserrat Tomé auf den Platz bringt. Was vor allem daran liegt, dass Spanien gleich eine ganze Handvoll Spielerinnen in seinen Reihen hat, die mit ihrer individuellen Qualität den Unterschied machen können.

Die ehemalige Weltfußballerin Alexia Putellas ist nach diversen Verletzungen wieder toll in Form und dreht vorne beeindruckend ihre Runden. Unterstützt wurde sie gegen Belgien zunächst von der erst 18-jährigen Vicky López, die mit viel Tempo gerne ins Dribbling geht und große Löcher reißen kann.

Was Emma Byrne meint, wenn sie sagt, dass sie überzeugt davon sei, dass Spanien im Turnierverlauf noch viel mehr zu bieten haben wird: Aitana Bonmati ist ja noch gar nicht so richtig dabei. Die amtierende Weltfußballerin litt kurz vor dem Turnier noch an einer viralen Meningitis (Hirnhautentzündung), lag im Krankenhaus und kommt gerade erst wieder zu Kräften. Als sie gegen Belgien zur zweiten Hälfte für López eingewechselt wurde, erreichte Spaniens Offensivspiel noch einmal ein anderes Niveau.

Enorme Flexibilität im spanischen Angriff

Und: Mit sieben verschiedenen Namen auf der Torschützenliste in den bisherigen beiden Spielen hat Spanien gezeigt, dass es nicht von einer einzigen Spielerin abhängig ist. Normalerweise erspielen sich die Weltmeisterinnen gegen tief stehende Gegnerinnen mit schnellen Pass-Stafetten rund um den gegnerischen Strafraum herum ihre Möglichkeiten und erzielen so auch die meisten Treffer.

Aitana Bonmati und Irene Paredes (r.) – zwei Gesichter für Spaniens Dominanz.

Aber das Team ist flexibler geworden. Mitunter sind aktuell auch mal lange Bälle in die Spitze zu sehen. Und sogar Abwehrchefin Irene Paredes hat schon einmal getroffen – und das ist eine neue Qualität des Teams. Der Treffer zum zwischenzeitlichen 2:1 fiel nach einem Eckball, als sich Paredes mit einem schlauen Lauf die nötige Freiheit für ihren Kopfball verschafft hatte.

Spanien – in der Defensive anfällig?

Ist Spanien unschlagbar? Diese Frage wird erst seriös zu beantworten sein, wenn das Team auf einen der großen Gegner wie Frankreich, England oder Deutschland trifft. Belgien hat phasenweise schon einmal zeigen können, dass zumindest Spaniens Defensive durchaus anfällig ist. Belgiens Mittelfeldspielerin Justine Vanhaevermaert durfte bei ihrem Kopfballtor beinahe unbedrängt von Spaniens Verteidigung zum zwischenzeitlichen 1:1 einköpfen.

Und dann sind da die tiefen Bälle durch die letzte Kette der Spanierinnen hindurch. Beim belgischen 2:2-Ausgleich war das zu sehen. Da stimmten die Abstände und die tiefe Staffelung der spanischen Innenverteidigung nicht. Wenn im Mittelfeld der Ball gewonnen werden kann und dann ein Pass in die Tiefe möglich ist, wackeln Paredes und Co.

Es gab auch Niederlagen

Und Spanien hat zuletzt auch nicht alles gewonnen. Gegen England setzte es im vergangenen Februar ein 0:1 in der Nations League, bei den enttäuschenden Olympischen Spielen 2024 unterlag man Brasilien (2:4) und dem deutschen Team (0:1).

So etwas wird die Hoffnung der großen Gegnerinnen im Turnierverlauf sein. Aber ob auch Italien das im letzten Gruppenspiel schon umsetzen kann, erscheint fraglich. Diese Klasse hat das Team der Azurblauen bislang noch nicht zeigen können.

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